Es war bereits früher Nachmittag, als ich die Praxis von Amelie betrat und mich bei der Dame an der Anmeldung als der nächste Patient ausgab. Nachdem Amelie die vergangenen Tage auf keine meiner Kontaktversuche per eMail reagiert, wusste ich mir nicht anders zu helfen, als solch einen Weg zu gehen. Ich rief gestern also in ihrer Praxis an und ließ mir unter falschem Namen einen Termin für den heutigen Tag geben. Da ich schon immer sehr überzeugend sein konnte, war es keinerlei Problem, mich als Notfall zu verkaufen und mir so einen frühzeitigen Termin zu verschaffen. Natürlich war das an sich nicht in Ordnung und wahrscheinlich würde Amelie vollkommen ausflippen, aber ich wollte sie sehen, mit ihr sprechen und hatte keine Lust mehr darauf, dass sie mir weiterhin aus dem Weg ging. Ja, ich war mir regelrecht unsicher darüber, wie sie mit mir umging. Ich kannte weder die Situation, dass ich einer Frau sozusagen hinterher lief, noch dass mich jemand so schamlos abblitzen ließ. Und immer wenn ich mit etwas nicht umgehen konnte, tat ich häufig etwas Unüberlegtes so wie heute. Nachdem mir die Sprechstundenhilfe sagte, dass ihre Chefin sich gerade noch in einer Behandlung befand und es noch ein paar Minuten dauern würde, nahm ich im angrenzenden Wartezimmer platz. Ich war alleine, kein anderer Patient wartete, also hatte ich tatsächlich den letzten Termin an diesem Tag bekommen. Umso besser, dann würde Amelie sicherlich länger Zeit für mich haben und kein anderer Patient sitzt ihr während dessen im Nacken. Ich lehnte mich im Stuhl zurück und streckte die Beine lang, um anschließend die Fußknöchel übereinander zu kreuzen. Während ich meine Hände im Schoss faltete, sah ich mich nachdenklich im Wartezimmer. Erst jetzt wurde mir bewusst, was ich hier angestellt hatte. Was wollte ich ihr sagen? Wollte ich etwa ehrlich zu ihr sein? Gerade konnte ich mir das noch nicht so recht vorstellen. Leise seufzte ich in mich hinein und schloss dabei die Augen.